Becky Brown - Versprich, nach mir zu suchen! by Rainer M. Schröder

Becky Brown - Versprich, nach mir zu suchen! by Rainer M. Schröder

Autor:Rainer M. Schröder
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: cbj Verlag
veröffentlicht: 2010-04-04T04:00:00+00:00


35

FÜNF ermüdende Tage später, in denen sie Pennsylvania und den größten Teil von Ohio durchquert und noch vier weitere dieser aufreibenden Präsentationen ertragen hatten, führte Georgia Cunningham mit Becky ein Gespräch unter vier Augen.

Es geschah in einer kleinen Siedlung namens Forest Grove, in der sich die Waisenkinder erstmals nicht in einem Gotteshaus, sondern im dortigen General Store Schaulustigen und interessierten Ehepaaren präsentieren mussten. Die Kirche, in der sie sich eigentlich hätten einfinden sollen, war wenige Wochen vorher nach einem Blitzeinschlag bis auf das Fundament niedergebrannt.

»Ich glaube, wir müssen einmal ein ernstes Wort miteinander reden«, sagte Georgia Cunningham und führte Becky hinaus unter das Vordach vom Merchants Hotel, das wie all die anderen Unterkünfte, in denen sie bisher genächtigt hatten, nur den einfachsten Ansprüchen durchreisender Handelsvertreter genügte.

Becky nahm mit ihr auf der Veranda auf einer Holzbank Platz und ahnte, worüber die verantwortliche Agentin der Children’s Aid Society mit ihr reden wollte. Ihre Gruppe war inzwischen auf dreiunddreißig Kinder zusammengeschmolzen. Aber auch an diesem Nachmittag hatten Daniel und sie nicht zu den neun Kindern gehört, auf die die Wahl der Einheimischen gefallen war.

»Du hast ja selbst gesehen, was heute wieder passiert ist«, begann Georgia Cunningham nach einem schweren Seufzer. »Dein Bruder hat heute zwei Mal eine gute Chance gehabt, eine Familie zu finden, aber dann ist jedes Mal wieder nichts daraus geworden.«

»Ja, weil niemand mich haben will!«, sagte Becky bitter.

»Das ist falsch, und ich denke, das weißt du auch selbst«, erwiderte Georgia Cunningham ruhig. »Jeder von euch hat allein gute Aussichten, auch wenn es erfahrungsgemäß etwas schwieriger ist, jemand zu vermitteln, der schon älter als zwölf, dreizehn Jahre ist. Viele von den guten Leuten, die zu diesen Treffen kommen, hegen nun mal die Überzeugung, dass ältere Jugendliche eher Probleme machen und sich nicht so leicht in ihre Familie einfinden werden wie jüngere Kinder. Und ganz so falsch liegen sie mit ihrer Einschätzung ja auch nicht. Aber dass dennoch auch ältere Jungen und Mädchen Familien finden, hast du ja zum Beispiel an Rose, James und Frank gesehen. Dabei ist Rose sogar ein volles Jahr älter als du. Nein, das Problem liegt einfach darin, dass den meisten die Verantwortung, manchmal auch der finanzielle Aufwand für ein Geschwisterpaar einfach zu groß ist, und das kann man ihnen auch nicht vorwerfen, oder?«

Becky schüttelte stumm den Kopf.

»Wenn es euch also ernst ist, euer Leben als Straßenkinder aufzugeben und auf dieser Reise Aufnahme in einer Familie zu finden, dann wird euch gar nichts anderes übrig bleiben, als nicht länger darauf zu bestehen, gemeinsam vermittelt zu werden - so wie es Ernest und Deborah und auch Hendrik und Clara getan haben.«

Becky schwieg. Wieder einmal fuhr ihr durch den Kopf, dass sie es gar nicht verdient hatte, eine Familie zu finden und ein besseres Leben als das eines Straßenkindes zu führen. Der Überfall auf Dougherty und die Schuld, die sie damit auf sich geladen hatte, machten ihr noch immer zu schaffen. Vielleicht war das nun der Preis, den sie für ihre Sünde zahlen musste!

»Ich weiß, wie sehr ihr aneinander hängt und wie schwer es für euch ist«, fuhr Georgia Cunningham fort.



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